1989 kam Jean-Christophe Ammann nach Frankfurt am Main und eröffnete als Direktor am 6. Juni 1991 das Museum für Moderne Kunst. Als einer der bedeutendsten Kunsthistoriker aus dem deutschsprachigen Raum legte er die Grundlage des Museums. Ihm verdankt das MMK das Renommee als eines der weltweit bedeutendsten Museen für Gegenwartskunst.
Zu seinem Abschied 2001 überließ er dem Museum als Schenkung sein Archiv, welches 35 Jahre seiner kuratorischen Tätigkeit an der Kunsthalle Bern, am Kunstmuseum Luzern, der Kunsthalle Basel und am MMK in Frankfurt dokumentiert. Das Archiv hat nicht nur einen sehr hohen wissenschaftlichen Quellenwert, sondern eröffnet auch einen Einblick in eine persönliche Geschichte der Kunst des 20. Jahrhunderts. In 266 Archivschachteln finden sich Materialien zu 257 Künstler*innen, darunter zahlreiche Notationen und Raumskizzen sowie einige hundert bislang unveröffentlichte Briefe. Hinzu kommen Fotografien von Ausstellungen und Performances. Neben diesen sammelte Jean-Christophe Ammann Einladungskarten, Plakate, Bücher von Künstler*innen, Ausstellungskataloge, Zeitschriften, Schallplatten und Tonkassetten, Filme und Videoaufnahmen, die nicht nur als bloße Archivalien, sondern in ihrer oft ungewöhnlichen Gestaltung als Realisierung von künstlerischen Konzepten zu verstehen sind.
In jahrelanger, ehrenamtlicher Arbeit wurde das Archiv einer ersten Sichtung unterzogen und konnte durch die finanzielle Unterstützung der Freunde des MMK konservatorisch adäquat gelagert werden.
Als erster Schritt zur Erfassung und Digitalisierung des Archiv Jean-Christophe Ammann hat das Museum die bereits getätigte Vorleistung der Ehrenamtlichen mit der Erstellung eines Online-Index fortgeführt und ins digitale Zeitalter übertragen. Mit Hilfe des Index lassen sich Archivalien nach Künstler*innennamen und Themen recherchieren.
Durch die Förderung des Hessischen Museumsbundes ist das MMK derzeit in der außerordentlichen Lage, ausgewählte Teilbereiche aus dem Archiv Jean-Christophe Ammann in der Tiefe zu erschließen und zu digitalisieren.
Seit 2011 befindet sich das Archiv und der schriftliche Nachlass des Frankfurter Künstlers Peter Roehr dank einer Schenkung des ehemaligen Galeristen Paul Maenz im Museum für Moderne Kunst. Trotz einer nur kurzen Schaffensperiode von 1962 bis 1967 hinterließ dieser ein Œuvre von mehr als 600 Arbeiten. Roehr ist heute international als einer der ersten und konsequentesten Protagonisten der Minimal Art in Deutschland, als Fotokünstler der Pop-Art und als Vorreiter der Konzeptkunst der 1970er-Jahre anerkannt. Die zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen weltweit, in denen seine Werke bis heute gezeigt werden, bezeugen ein anhaltendes Interesse.
1964 lernte Peter Roehr Paul Maenz kennen, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband und dem er in seinem Testament die Verwaltung seines künstlerischen Nachlasses übertrug. 2011 schenkte Maenz dem MMK das komplette Archiv Peter Roehr mit dem Auftrag zur wissenschaftlichen Aufarbeitung. Das Archiv umfasst das Nachlassverzeichnis seiner Arbeiten sowie Korrespondenzen und Briefe, private Notizen und Manuskripte, Rezensionen und Zeitungsartikel, zahlreiche Fotos und Drucksachen und verschiedene Sammlungen von Begleitmaterialien und Katalogen. Insgesamt handelt es sich um mehr als 2.500 Objekte.
In einem Forschungsprojekt wurde der gesamte Bestand inventarisiert, erfasst und digitalisiert. Seit Dezember 2016 ermöglicht das Online-Archiv eine breite Zugänglichkeit für den wissenschaftlichen Umgang mit den Forschungsmaterialien.
Online-Archiv
Zu seinem Abschied als MMK-Direktor 2001 überließ Jean-Christophe Ammann dem Museum sein Archiv, welches 35 Jahre seiner Tätigkeit dokumentiert. Er hatte in den 1970er-Jahren im Kunstmuseum Luzern viel beachtete Ausstellungen kuratiert, in denen Körper und Körpererfahrungen eine zentrale Rolle einnahmen (beispielsweise Visualisierte Denkprozesse, 1970; Transformer. Aspekte der Travestie, 1974, Giuseppe Penone. Bäume Augen Haare Wände Tongefäss, 1977). In der Kunsthalle Basel realisierte er in den 1980er-Jahren aufgrund ihres Fokus auf Körper und Sexualität umstrittene Gruppen- und Einzelpräsentationen (Drei New Yorker Fotografen: Peter Hujar, Larry Clark, Robert Mapplethorpe, 1982; Miriam Cahn. Das klassische Lieben, 1983; Francesco Clemente, 1984; General Idea. The 1984 Miss General Idea Pavillion, 1984; Hannah Villiger, 1985; Bruce Nauman, 1986; Gilbert & George, 1986) und entwickelte parallel dazu ein umfangreiches Performanceprogramm.
Anhand von Briefwechseln und anderen Archivdokumenten werden Ausstellungen und ihre Kontexte rekonstruiert – mit dem Ziel, Ammanns kuratorische Tätigkeit als Teil der Umbrüche der 1970er-Jahre zu begreifen, in denen sich neue Perspektiven auf Körper, Sexualität und Geschlecht entwickelten. Indem seine Ausstellungen als Teil einer von zumeist männlichen Kuratoren geprägten Ausstellungslandschaft begriffen werden, wird danach gefragt, inwieweit seine kuratorischen Strategien, mit denen er queere Positionen in Ausstellungsräume und somit in die Öffentlichkeit brachte, zur Destabilisierung von binären Geschlechterkonstruktionen und konventionellen körperlichen Grenzziehungen beigetragen haben.
Mithilfe von Archivmaterialien aus Ammanns Zeit in Luzern und Basel werden ausgewählte Werke aus der Sammlung des MMK, die er in den 1990er-Jahren für das Museum erwarb, kontextualisiert und historische Verschiebungen in den Perspektiven auf Körperkonzeptionen, Geschlechterrelationen und Diversität sichtbar gemacht.
Es handelt sich hierbei um ein 2022 initiiertes Forschungsprojekt von Prof.’in Dr. Antje Krause-Wahl (Heisenberg-Professur für Gegenwartskunstgeschichte, Goethe-Universität Frankfurt am Main) in Kooperation mit dem MUSEUMMMKFÜR MODERNE KUNST. Als Wissenschaftliche Hilfskraft unterstützt Laura Waas das Projekt.
Bitte wenden Sie sich bei Rückfragen an:
Nadine Hahn-Rübel
Leitung Digitales und Archive
+49 69 212 30445
nadine.hahn@stadt-frankfurt.de