Im Dialog mit unserer China–Ausstellung zeigen wir eine Gruppe früher Arbeiten von Serge Spitzer und eine Gemeinschaftsarbeit von Spitzer und Ai Weiwei.
Der in Peking lebende chinesische Künstler Ai Weiwei (*1957) steht für eine von Umbrüchen geprägte Generation. Ähnlich wie bei Weiwei sind die Arbeiten des in New York lebenden amerikanischen Künstlers Serge Spitzer (*1951) nicht nur durch ein Interesse an der Entdeckung und Untersuchung von „Wirklichkeitsmodellen“ gekennzeichnet, sondern auch durch ihre Verwendung alltäglicher Materialien. Hier im Kontext der „Humanism in China“–Ausstellung haben die Künstler zum ersten Mal zusammengearbeitet und die raumgreifende Installation „Ghost Valley coming down the Mountain“ (2005–2006) geschaffen. Zwei Räume durchmessend stehen 96 Vasen, zum Teil umgedreht auf dem Boden. Handgemachtes Porzellan hat für China eine besondere Bedeutung. In der englischen Sprache sind der Landesname und der dieses Materials Synonyme. Chinesisches Porzellan (china porcelain) gilt dem Volk seit langem als Quelle von Stolz und Wohlstand und als Beweis seines Erfindungsreichtums und seiner künstlerischen Leistungsfähigkeit. Indem die beiden Künstler mit denselben Materialien und Techniken an den originalen Produktionsstätten Kopien herstellen (verschiedene Teile des wohl berühmtesten Beispiels der Blau–Weißen–Periode), bringen sie (auf mehreren Ebenen) historische, soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge zur Sprache und im Kontext des aktuellen Diskurses zeitgenössischer Kunst diejenigen von Kopie und Original, Figuration und Abstraktion, Einzelstück und Massenproduktion.
Die Vase fungiert als ein prototypisches Modell in einem Kommunikationsspiel, dessen skulpturale Strategien den Ausstellungsraum zu einem Beobachtungs– und Untersuchungsfeld machen. Jeweils Einzelstücke, reproduzieren sie immer nur ein Fragment des Originals, erscheinen aber durch dieses DNS–artige System miteinander verknüpft. Die empfindlichen Vasen wirken fragil und zwingen den Besucher, sich vorsichtig zwischen ihnen zu bewegen, und vermitteln durch ihre Aufstellung im Raster zugleich den Eindruck einer territorialen Militärpräsenz. Diese Raumstruktur wird durch architektonische Raumeinteilung und die begrenzte Zugänglichkeit der Räume noch verstärkt. Handgemachte kulturelle Tagelöhner in einem skulpturalen Spiel mit Realitäten, das von der Wirklichkeit handelt.
Diese Gemeinschaftsarbeit wird zusammen mit einer neuen Installation von Serge Spitzer (Quiver, Rustle, Tremble, Stir, 2003-2006) gezeigt, die er in einem technischen, nicht als Ausstellungsraum genutzten Bereich des Museums realisiert hat. Die ständige unklare Bewegung über der Glasdecke hat weder ein Ziel noch eine Funktion. Ihr Ursprung geht im milchigen Glas der Decke verloren, ihre molekulare Struktur erscheint manchmal biologisch, manchmal mechanisch. Fast existiert sie wie ein natürlicher »Geistesblitz«, ein schwer zu beschreibendes, zu analysierendes oder zu verstehendes Phänomen. Eine Präsenz, die kaum von der Hand zu weisen und spürbar ist, obwohl sie nicht im physischen und architektonischen Raum verankert scheint. Eine tief aus dem Unbekannten des Gebäudes kommende Aktivität, einem mehrdeutigen grauen Bereich »dazwischen«, in dem das Funktionale auf das Irrationale trifft und Ideen Funken schlagen können.