Gewalt findet in der Moderne ihren Ausdruck nicht allein im sozialen Handeln, sondern auch in allgegenwärtigen Objekten, Anlagen und urbanen Strukturen. Die Härte der Aggression formiert sich in Formgebung wie Material. Die geometrische Strenge suggeriert Funktionalität, das zurückgeworfene Licht der metallischen Oberflächen schafft Distanz. Form, Glanz und Härte der widerständigen Materialien bezeugen Stärke und Macht und verleihen den Gegenständen eine unmittelbare Brutalität.
Cady Noland (* 1956) legt in ihren Arbeiten jene Gewalt frei, die uns in Szenarien der räumlichen wie ideologischen Grenzziehung tagtäglich begegnet. Damit entblößt sie die vermeintliche Neutralität von Material und Form. Die scheinbar scharfe Trennung zwischen Objekten und Subjekten verschwimmt, die unablässigen Wechselwirkungen werden evident.
Die US-amerikanische Flagge, Holzkohlegrill, Zaumzeug, Cowboysattel und Waffen sind Symbole US-amerikanischer Identität. Der Mythos des amerikanischen Traums, den Noland scheinbar naiv ernst nimmt, ist jedoch zu einer globalisierten Wirklichkeit geworden: Verherrlichung von Gewalt, radikale Individualisierung, Konsum als Antrieb und Erfüllung, Kampf durch Ausschluss und Abgrenzung. Barrieren, Gatter und Zäune zeugen in ihrem Werk von den physischen und symbolischen Manifestationen, die Öffentlichkeit erzeugen und Teilhabe ausschließen. Allein Prothesen, wie Gehhilfen, Greifer und Blindenstöcke eröffnen den nicht „Leistungsfähigen“ Zugang zum öffentlichen Leben. Hingegen wird erzwungene Teilhabe an der Öffentlichkeit vielen Prominenten auferlegt. Ihre unfreiwillige Objektwerdung ist die Voraussetzung für den martialischen Umgang mit ihnen. Empathielos wie ein Psychopath beschrieb Noland bereits 1987 in ihrem Aufsatz „Zu einer Metasprache des Bösen“ die US-amerikanische Gesellschaft, die gegenwärtig weltweit zur Realität geworden ist.
Die umfangreiche Ausstellung im MMK wird im Dialog mit ausgewählten Werken aus der Sammlung präsentiert.