Drei renommierte europäische Museen für moderne und zeitgenössische Kunst – das Centre Pompidou, die Tate und das MMK Museum für Moderne Kunst – führen bedeutende Werke aus ihren Sammlungen zu einem europäischen Museum auf Zeit zusammen.
Den konzeptuellen Ausgangspunkt für diese Ausstellung bildet eine Zukunftsvision: Wir schreiben das Jahr 2052. Die Museen sind von der Auslöschung bedroht und die Kunst verschwindet aus der Gesellschaft. Vor dem Hintergrund eines solchen Science-Fiction-Szenarios werden über 80 Hauptwerke der zeitgenössischen Kunst vereint. Drei große europäische Sammlungen verbinden sich zu einem transnationalen Museum auf Zeit. Die Bandbreite der gezeigten Werke reicht von bedeutenden künstlerischen Positionen aus den 1920er-Jahren bis in die jüngste Gegenwart. Unter anderem sind Arbeiten von Louise Bourgeois, Marcel Duchamp, Isa Genzken, On Kawara, Claes Oldenburg, Sigmar Polke, Bridget Riley, Andy Warhol und vielen mehr zu sehen.
Die Ausstellung ist inspiriert von Ray Bradburys 1953 erschienenem Science-Fiction-Roman Fahrenheit 451 und dessen legendärer Verfilmung von François Truffaut. Bradbury entwirft das Bild einer Zukunft, in der literarische Werke aus der Gesellschaft verbannt sind. Die einzige Möglichkeit, sie für nachfolgende Generationen zu bewahren, liegt darin, die Werke zu erinnern. Die Ausstellung Das imaginäre Museum führt in eine Zeit, in der die präsentierten Kunstwerke kurz vor ihrer Vernichtung stehen. So wie Bradburys „Büchermenschen“ die literarischen Werke nur durch Auswendiglernen vor dem Verschwinden bewahren können, lädt die Ausstellung die Besucher dazu ein, sich die gezeigten Werke einzuprägen. Die Betrachter können sich die Werkbeschriftungen mitnehmen und um ihre persönlichen Erinnerungen in Form von Skizzen, Notizen oder Zeichnungen ergänzen.
Der Ausstellungstitel verweist auf das „Musée imaginaire“ des französischen Schriftstellers und Politikers André Malraux (*1901–1976), der die These vertrat, dass sich ein jeder durch die fotografische Reproduktion von Werken sein persönliches Museum zusammenstellen könne – losgelöst von Zeit und Raum. „Das imaginäre Museum“ schafft, so Malraux, eine Kunst der Fiktion, in der die Wirklichkeit wie in Romanen von der Fantasie abhängig ist.
Die Zukunftsvision erlebt der Besucher auf einem in neun Stationen unterteilten Rundgang.
Bei den ausgestellten Werken handelt es sich ausnahmslos um Arbeiten, die es vermögen, kunstimmanente Qualitäten und Prozesse zu veranschaulichen, wie etwa die Transformation des Alltäglichen, das Spiel mit der Wahrnehmung, das Reisen durch Raum und Zeit sowie die Verschlüsselung von Botschaften. Die Stationen sind nach Werken der Weltliteratur benannt, wie Die Verwandlung nach Franz Kafka oder Die Zeitmaschine nach H. G. Wells.
Im Abschnitt Die Verwandlung werden jene Kunstwerke zu finden sein, welche die Fähigkeit haben, Alltagsgegenstände zu transzendieren, wie Andy Warhols 100 Campbell’s Soup Cans (1962) oder Claes Oldenburgs Soft Typewriter, Ghost-Version (1963) aus der Sammlung des MMK. Das Kapitel Die Vermessung der Welt vereint Arbeiten, die Naturphänomene, Ordnungssysteme und abstrakte Begriffe erfassen. Die Zeitmaschine lässt unter anderem mit Dan Grahams Videoinstallation Present Continuous Past(s) (1974) aus der Sammlung des Centre Pompidou die Besucher durch die Zeit reisen und mit Absalons Cell No. 1 (1992), einer futuristisch anmutenden Wohneinheit aus der Sammlung der Tate, stellen sich Fragen nach dem Verhältnis zwischen der Selbstbestimmung des Individuums und den Gesetzen der Gesellschaft.
Nach ihrer Laufzeit eröffnet die Ausstellung noch ein letztes Mal für ein großes Abschluss-wochenende. Die Kunstwerke sind dann fast alle entfernt und durch Personen ersetzt, die durch ihre persönlichen Erinnerungen und Interpretationen die Ausstellungsstücke wiedergeben und sie auf diese Weise zurück ins Bewusstsein rufen. Die Besucher werden zu Botschaftern der Kunst, zu „Bildermenschen“, welche die Ausstellung in ein lebendiges Museum verwandeln.
Künstler der Ausstellung: Absalon, Josef Albers, Paul Almasy, Pawel Althamer, Thomas Bayrle, Alighiero Boetti, Louise Bourgeois, Marcel Broodthaers, Mark Brusse, Reg Butler, Marc Couturier, Carlos Cruz-Diez, Attila Csörgö, Walter de Maria, Erik Dietman, Marcel Duchamp, Jimmie Durham, Robert Filliou, Fischli/Weiss, Dan Flavin, Lucio Fontana, Dora Garcia, Dan Graham, Isa Genzken, Felix Gonzalez-Torres, Victor Grippo, Hans Haacke, Jeppe Hein, Birgit Jürgenssen, On Kawara, Martin Kippenberger, Joseph Kosuth, Edward Krasinski, Barbara Kruger, Lee Lozano, Piero Manzoni, Allan McCollum, Mario Merz, Giorgio Morandi, Ron Mueck, Claes Oldenburg, Roman Opalka, Martin Parr, Philippe Parreno, Sigmar Polke, Walid Raad, Albert Georg Riethausen, Bridget Riley, Cindy Sherman, Andreas Slominski, Daniel Spoerri, Hiroshi Sugimoto, Alina Szapocznikow, Jeff Wall, Andy Warhol, Lawrence Weiner, Rachel Whiteread, Hannah Wilke, Akram Zaatari
„Das Imaginäre Museum. Werke aus dem Centre Pompidou, der Tate und dem MMK Museum für Moderne Kunst“ ist eine Ausstellungskooperation zwischen Tate Liverpool (20.11.2015–14.2.2016), MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main (24.3.–4.9.2016) und Centre Pompidou-Metz (21.10.2016–27.3.2017).
Zur Ausstellung erscheint eine Künstlerpublikation von Dora García in Form einer Zeitung aus dem Jahr 2052, die zur kostenlosen Mitnahme ausliegt.